Ich könnte doch was versäumen

Armin saß in der Bar.
Allein.
Es war spät geworden.
Stunden verbrachte er schon hier.
Er hatte einiges getrunken.
Mehr als ihm gut tat.
Seine Krawatte hing lose am Hals.
Die obersten Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet.
Er starrte vor sich hin.
Am Bacardi direkt vor ihm hatte er nur genippt.
Celina hatte ihn verlassen.
Heute.
Seine Celina.
Nach einem heftigen Streit.
Genau gesagt:
Nach so manchem Streit.
Er erinnerte sich an jedes ihrer Worte.
Lauter Vorwürfe.
Die ihn nervten.
Die ihm auf den Geist gingen.
Weil er sie nicht verstand.
Im Grunde liebte er doch nur Celina.

Wer war denn die Schlampe neulich?
Eine Kollegin von mir hat dich in dem Lokal erkannt.
Weißt du wie demütigend das für mich ist?
Aber du amüsierst dich mit einer jungen Frau.
Ohne Gewissensbisse.
Halb so alt wie du.
Nicht das erste Mal.
Jedes mal schwörst du mir:
Sie bedeutet mir doch nichts!
Du bist die einzige Frau für mich.
Fein.
Du liebst nur mich.
Aber vögeln möchtest du jede Frau.
Sie muss nur gut aussehen.
Oder interessant auf dich wirken.
Du versprichst mir jedes Mal, es würde nicht mehr passieren.
Und regelmäßig gehst du wieder fremd.
Du hast mich geheiratet.
Ich frage mich wozu.
Du könntest jede andere Frau auch heiraten.
Denn treu bist du noch nie gewesen.
Seit wir beisammen sind.
Celina hatte ihn mit rot geweinten Augen angeschrieen.

Ja, ich habe es gewusst.
Und ich habe geglaubt, ich könnte dich ändern.
Aber du willst ja selber nicht.
Als würdest du etwas versäumen.
Wenn du nicht jede Chance zum Seitensprung nutzt.
Wie würdest du wohl reagieren, wenn ich es genau so hielte?
So will ich nicht leben!
Ewig darüber nachdenken müssen.
Bist du wirklich noch in der Arbeit?
Oder vernascht du gerade eine im Auto?
Wir werden uns trennen.
Und dann kannst du tun und lassen was du willst.
Es geht mich nichts mehr an.
Celina hatte sich abgewandt.
Schluchzend.
Nahm ihren Koffer am Griff.
Armin hatte ihr zugesehen.
Er hatte sie nicht verstanden.
Nein.
Und er verstand sie noch immer nicht.
Sie waren doch so glücklich gewesen.
Celina war etwas Besonderes.
Eine Prinzessin.
Der er die Welt zu Füßen legen hatte wollen.
Von der er sich ein Kind gewunschen hatte…

Armin nippte wieder am Bacardi.
Er saß halb schief am Barhocker.
Sein Kopf schmerzte.
Aber noch mehr die Gedanken.
Die immer lauter wurden.
Warum war es so ein Problem für Celina?
Fremdgehen nannte sie es.
Er nannte es seine Freiheit.
Schließlich aß er auch nicht immer daheim.
Sondern mal in einem Lokal.
Dann genehmigte er sich wieder einen Imbiss.
Irgendwo.
Aber daheim war doch trotzdem bei Celina.
Sie war ihm immer so kostbar erschienen.
Gerade im Vergleich mit anderen Frauen.
Warum wollte sie nicht begreifen?
Es hatte doch nichts mit ihr zu tun, dass er auch wo anders jagte.
Das Leben ist so kurz.
Und er fühlte sich so stark.
So unbesiegbar.
Warum auf alle Annehmlichkeiten verzichten?
Auf alle Blumen am Wegrand?
Warum selber Barrieren auferlegen?
Die nur einer veralteten Moral entsprachen?
Das wäre doch Stagnation!
Er richtet sich mit einem Mal auf.
Kerzengerade.

Da würde er doch etwas versäumen!
Sich aufheben für eine einzige Frau?
Warum verlangte Celina das von ihm?????
Armin starrte seinen Bacardi an.
Natürlich hatte er heute versucht, Celina aufzuhalten.
Er hatte ihr nach geschrieen.
Er wusste gar nicht mehr was.
Aber geweint hatte er.
Das wusste er noch genau.
Celina hatte sich nicht mehr umgedreht.
Ihre Worte trafen ihn umso mehr.
Ich gehöre nicht mehr in deinen Harem.
Und erzähle mir nicht dauernd, dass du mich liebst.
Du liebst nur dich selbst.
Sonst würdest du mir das nicht antun.
Sonst hättest du mir das nie angetan.
Deine zahllosen Affairen!
Du kompensierst doch nur deinen Minderwertigkeitskomplex damit.
Es geht nicht einmal so sehr um deine Frauen.
Als dass du dein Herumgevögle als normal hinstellst.
Und deine wahren Probleme kehrst du unter den Tisch!
Soll doch einer deiner Schlampen hier einziehen…
Ich bin es leid!

Armin war wieder in sich zusammengesunken.
Er und Probleme?
Das war doch lächerlich!
Angst vor Nähe?
Angst vor der Intimität einer Bindung?
Sich sexuell beweisen müssen?
Weil es bei ihm im Job nicht so weiterging?
Alles Blödsinn!
Er liebte nur die Frauen.
Alle.
Und am meisten hatte er Celina geliebt.
Aber sie ihn offensichtlich nicht.
Oder viel zu wenig.
Sonst hätte sie ihn verstanden.
Und trotzdem geliebt.
Und ihn vor allem nicht dauernd eingeengt.
Oder es zumindest immer versucht.
Wahre Liebe hatte doch mit viel mehr zu tun…
Als mit Treue.

Vivienne

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